Kritisch durch die Krise: Unsere Corona-Maßnahmen und was jetzt nicht vergessen werden darf

  • Die Corona-bedingten Einschränkungen werden noch eine Weile anhalten. Wir bemühen uns, eigene Abläufe zu optimieren und setzen nach wie vor auch auf eure Mithilfe.
  • Gerade jetzt lohnt sich ein kritischer Blick über den eigenen Tellerrand hinaus – wir fassen kurz zusammen.
  • Eine Auswahl hilfreicher Links und interessanter Artikel findet ihr am Ende des Eintrags.

„Corona ist eine Anklage gegen den gegenwärtigen Zustand der Gesundheit, der Menschenrechte und der Ungleichheit gleichermaßen.“

Mark Heywood, südafrikanische Menschenrechtsaktivist

Wir haben nun einen Monat Corona-Maßnahmen beim ÖkoEsel hinter uns. Und trotz der teils entstandenen langen Wartezeit wurden die Maßnahmen von einem Großteil von euch auch mit Verständnis aufgenommen. Dafür ein großes Dankeschön vom gesamten Team.

In diesem Newsletter möchten wir nun zum einen auf die aktuelle Situation beim ÖkoEsel eingehen und ein paar Veränderungen beim Bestellen und Zurücklegen vorstellen und zum anderen auch versuchen die derzeitige Krise in einen größeren Kontext einzuordnen.

Weitere Maßnahmen beim ÖkoEsel

Trotz des überwiegenden Verständnisses merken wir auch teilweise, dass ein paar von euch ungeduldig werden. Auch gab es bereits die Bitte, wieder mehr Kund*innen auf einmal in den Laden zu lassen. Wir wissen, dass die Situation für viele – auch für uns – schwierig ist. Dennoch werden wir die Maßnahmen in absehbarerer Zeit nicht lockern können. Wir halten uns an die offiziellen Empfehlungen, gemessen an der Quadratmeterzahl, und haben bereits in unserem letzten Newsletter darauf hingewiesen, dass es ab Mittag leerer im Laden wird. Die Aussagen der Wissenschaftler sind noch sehr unterschiedlich und wir sind keine Experten. Daher sind wie lieber zu vorsichtig, als zu früh etwas zu lockern. Wir bemühen uns dabei den Ablauf so problemlos wie möglich zu gestalten, haben aber leider nicht auf alles einen Einfluss. So verspäten sich zurzeit öfters die Anlieferungen und wir haben auch sehr viele Bestellungen von Mitgliedern zu bearbeiten, so dass wir oft erst am Mittag mit allen Aufgaben fertig sind – und nicht wie sonst bereits zur Öffnung.

Um dem Mehraufwand gerecht zu werden, bitten wir euch daher zukünftig die Bestellungen, bzw. Warenwünsche, entweder per Mail an [email protected] zu senden oder aber den im Laden ausliegenden Vordruck zu verwenden. Darüber hinaus erreichen uns zurzeit viele Mails mit dem Wunsch bestimmte Waren aus dem Standardsortiment zurückzulegen. Dies funktioniert leider nur begrenzt. Wir haben morgens aufgrund der derzeitigen Belastung nicht immer die Möglichkeit alle Mails zeitnah zu lesen und können – aus Gründen der Fairness – bestimmte Waren zurzeit auch einfach nicht zurücklegen. Wir bitten hier im Sinne aller um Verständnis.

In den letzten knapp zwei Wochen haben wir im Laden für die Tafel gesammelt und konnten bereits mehrfach vollgepackt mit Ware zur Sammelstelle fahren. Für die Unterstützung ein großes Dankeschön! Dies möchten wir zukünftig gerne in abgewandelter Form in der direkten Nachbarschaft fortführen und den Fairteiler vom Kreativquartier am Leonrodplatz unterstützen. Zur Zeit werden dort viele Mittellose (Obdachlose und andere Menschen), die keinen Zugang zur Tafel haben sowie verschiedene Berufsgruppen, die derzeit kein Einkommen erzielen können (insbesondere Künstler*innen) mit Lebensmittelspenden unterstützt.

Falls ihr vielleicht noch in der Hausgemeinschaft etwas überhabt, könnt ihr euch auch direkt bei Doro melden: 01788100335 oder E-Mail [email protected].

Des Weiteren wurde gestern von der Bundesregierung verkündet, dass im öffentlichen Raum Gesichtsmasken getragen werden sollten. Wir bitten daher, wenn möglich, dies auch bei eurem Einkauf im ÖkoEsel zu beachten.

Was jetzt nicht vergessen werden darf

Der derzeitige Zustand wird wohl noch Wochen, vielleicht gar einige Monate andauern. Dabei heißt es in den Medien immer wieder, dass alle Menschen von den Maßnahmen gleichermaßen betroffen wären und der Virus keinen Unterschied zwischen arm und reich machen würde. Hierbei entsteht ein Bild, das die Bevölkerung als ein Kollektiv zeigt, welches zum einen gemeinsame Ziele verfolgen würde und sich zum anderen schützend vor die Schwachen innerhalb der Gesellschaft stellt. Eine solche Gemeinschaftsfiktion ist immer gefährlich, vor allem aber ist sie schlicht falsch.

Wenn nun beispielsweise die Tafeln geschlossen werden, dann trifft dies nicht alle Menschen gleich. Und auch die Situation der Lohnabhängigen, die sich weiterhin jeden Morgen mit Bus, Bahn und Tram zur Arbeitsstelle bewegen müssen, die die Betreuung ihrer Kinder sicherzustellen haben und teils selbst zu einer Risikogruppe gehören, ist von vollkommen anderer Qualität als die Doppelbelastung derer, die nun Home-Office und Kinderbetreuung miteinander vereinbaren müssen.

Wir erleben gerade wie die Menschen in den Gesundheits-, Sozial- und Pflegeberufen, die seit Jahren unter schlechter Bezahlung und Personalmangel am (gesundheitlichen) Limit arbeiten, nun zu Höchstleistungen angefeuert werden, ohne dass eine Änderung ihrer Situation in Aussicht gestellt wird.

Und wir erleben auch, wie gefährlich ein kaputtgespartes Gesundheitssystem werden kann, wenn es zu unvorhergesehener Belastung kommt. Diese unterschiedlichen Perspektiven und Betroffenheiten von staatlichen Maßnahmen kommen momentan sowohl in der Politik als auch in den Medien kaum vor. Vom Klatschen im Bundestag oder auf den Balkonen verändert sich nichts an dieser Situation und echte Solidarität mit den Betroffenen muss anders aussehen. Es sind dabei auch insbesondere die Menschen aus den Risikogruppen, die an den Folgen des Virus sterben. Dies sind nicht nur ältere Personen und Menschen mit Immun- und/oder Lungenvorerkrankungen. Sondern auch Menschen die nur einen schlechten oder gar keinen Zugang zu einem öffentlichen Gesundheitssystem haben. Menschen, die sich durch fehlende Bildung oder mangelnde Medienkompetenz nur ungenügend schützen können. Menschen, die nicht das Geld haben ihr Immunsystem mit teuren Präparaten oder hochwertigen Lebensmitteln zu unterstützen. So macht die Krise ebenfalls deutlich, dass die Frage von Leben und Tod auch im Jahr 2020 noch immer eng mit sozialer Ungleichheit verknüpft ist!

Dies ist im internationalen Vergleich noch gravierender der Fall. So wird beispielsweise die Bewegungsfreiheit über nationale Grenzen zwar für fast alle Menschen begrenzt, aber vor allem für Hilfsbedürftige und Geflüchtete – so lange sie nicht bei der Spargelernte helfen – noch rigoroser geschlossen. Es werden für den Wirtschaftsstandort Deutschland Milliarden an Hilfen in Aussicht gestellt, während die Menschen an den europäischen Außengrenzen und in den Camps, wie zum Beispiel in Griechenland, weiterhin unter grausamen Bedingungen „leben“ müssen. Auf der einen Seite werden in Rekordzeit über 200.000 deutsche Urlauber mit Sondermaschinen aus den Urlaubsgebieten zurück nach Deutschland geholt und auf der anderen Seite gestaltet sich die Aufnahme für 50 (!!) Flüchtlingskinder aus Moria (Griechenland) als logistische Herausforderung.

Corona ist auch eine Krise des Systems

Es wird bereits jetzt deutlich, dass die aktuelle Krise nicht nur eine des Gesundheitssystems darstellt.

Die Krise zeigt uns auch, wie brüchig die Beziehungen unter den einzelnen Nationalstaaten sind, welche – nicht nur – in Krisenzeiten miteinander konkurrieren müssen. Als eines der ersten Länder innerhalb Europas zeigte Deutschland seine unsolidarische Seite und hat die Ausfuhr von medizinischer Ausrüstung fast komplett verboten. Der „Spendenweltmeister Deutschland“ (Lessenich) denkt nun an sich selbst.

Zudem sind es der kapitalistische Raubbau an der Natur, samt der Zerstörung von Ökosystemen, die die optimalen Bedingungen für die Ausbreitung von Viren bereitstellen. Corona, dessen Ursprungsübertragung wohl auf einen Wildtiermarkt in Wuhan zurückgeführt werden kann, ist neben Aids und Ebola lediglich ein weiterer trauriger Höhepunkt. Etwa 60% aller Infektionskrankheiten sind von Tieren auf den Menschen übertragen worden – unser Umgang mit der Natur rächt sich gewissermaßen.

Wir erleben nun zugleich die erste Phase einer globalen Verwertungskrise des gegenwärtigen Wirtschaftssystems, die vermutlich mehrere Jahre anhalten wird. Diese Krise beginnt schlagartig, wenn das wirtschaftliche Wachstum nicht mehr garantiert ist. Das wird uns angesichts der gegenwärtig notwendigen Maßnahmen nun zum Verhängnis: Unzähligen Lohnabhängigen droht die Existenznot.   

Wenngleich die systembedingten Missstände prinzipiell nichts Neues sind, offenbart uns Corona diese erneut in aller Deutlichkeit. Verbleiben wir mit dieser Erkenntnis aber in der eigenen Blase und versäumen wir, diejenigen miteinander zu verbinden, die mit einem kritischen Blick auf die gesellschaftlichen Abläufe blicken, dann wird es nach der Krise nicht besser, sondern schlimmer werden.

Was tun?

Auch wenn es derzeit danach aussieht, dass Deutschland vielleicht noch mit einem „blauen Auge“ davonkommen könnte, so ist die gesamte Welt betroffen und die Welt muss sich solidarisch zueinander zeigen. Lasst uns gegen die soziale Vereinzelung, gegen die fortwährende Ausbeutung in den Lohnarbeitsverhältnissen und gegen die sich nun weiter verschärfende nationale Abschottung vorgehen. Wie? Darauf sind gemeinsam Antworten zu finden. Ohne solidarisches Handeln jedenfalls, das hat die Geschichte gezeigt, werden die politischen Antworten auf die aktuelle Krise von der Rechten kommen: In Form des starken und autoritären Staats, geschlossener Grenzen sowie weiterer sozialer Umverteilung zu Kosten der sozial Schwachen.

Dabei wird es im Zuge der bestehenden Ausgangsbeschränkungen auch innerhalb von vielen Familien vermehrt zu emotionalen und psychischen Ausnahmesituationen kommen. Achtet aufeinander, auf euer Umfeld und vor allem auf Menschen, die allein sind und eventuell depressive Phasen durchleben. Behandelt die Leute mit Respekt, die das alltägliche Leben am Laufen halten. Bietet Menschen die Opfer von Gewalt und Misshandlungen werden Unterstützung an, z.B. in Form eines Rückzugsraum oder einer Fahrt zu einem sicheren Ort. Und denkt daran, dass die Polizei häusliche Gewalt weiter zum Eskalieren bringen kann. Häufig gibt es geeignetere Lösungen und Hilfen: Nutzt öffentliche Ressourcen, wie sichere Häuser und/oder Hotlines.

Die nächste Zeit wird für uns alle nicht einfach(er) werden und nur gemeinsam und in echter solidarischer Gemeinschaft über die bestehenden Grenzen hinaus werden wir eine Chance haben gestärkt aus dieser Krise herauszugehen.

Unsere Solidarität – nicht nur – gegen die Isolation.

Abschließend haben wir noch einige nützliche Links, Spendenaufrufe und weiterführende Informationen angehängt.

Nützliche Links/Nummern

Solidarische Nachbarschaft München: https://solidarischesmuc.noblogs.org/solidarische-stadt/

Notfallseelsorge (auch Suizidprävention): 1110111

Krisendienst Psychiatrie: https://www.krisendienst-psychiatrie.de/

Nummer gegen Kummer (für Jugendliche): 116111

Bei Missbrauch gegen Kinder: https://www.deine-playlist-2020.de/

Nummer bei Gewalt gegen Frauen: 08000 116 106   

Frauenhilfe München – Beratungsstelle für Frauen bei Partnergewalt: https://www.frauen-gegen-gewalt.de/de/organisation/frauenhilfe-muenchen-beratungsstelle-fuer-frauen-bei-partnergewalt.html

Arbeitsrechtliche Hinweise zu Corona vom DGB: https://www.dgbrechtsschutz.de/recht/arbeitsrecht/arbeitsvertrag/themen/beitrag/ansicht/arbeitsvertrag/coronavirus-was-beschaeftigte-wissen-muessen/details/anzeige/

Zona Libre am Leonrodplatz:  https://www.leonrod-haus.de/zona-libre/


Spenden und Unterstützungsaufrufe

Petition an den Bundestag zur Evakuierung der Lager auf den griechischen Inseln: https://action.leavenoonebehind2020.org/!/429K/

Initative #savethem: Menschen aus den Camps holen und sie in Sicherheit bringen. https://www.flugbereitschaft.org/

Petition – Lebensmittel retten muss einfacher werden! Rechtssicherheit bei Lebensmittelspenden! https://www.change.org/p/landwirtschaftsministerin-julia-kl%C3%B6ckner-lebensmittel-retten-muss-einfacher-werden-rechtssicherheit-bei-lebensmittelspenden

Petition – Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens: https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2020/_03/_14/Petition_108191.nc.html

Petion – Strassenkinder in leerstehenden Hotels unterbringen: https://www.change.org/p/bundesfamilienministerin-dr-franziska-giffey-straßenkinder-vor-corona-und-sexuellen-missbrauch-schützen-sofort-in-leerstehende-hotels

Spendenaufruf von medico: Unterstützung bei flächendeckenden Präventionsmaßnahmen, bei der Bereitstellung von Schutzausstattung und in ihrem politischen Kampf gegen Armut und krankmachende Verhältnisse sowie für das Recht auf ein gesundes und gutes Leben. https://www.medico.de/corona-hilfe/


Weiterführende Linksammlung

Deutschland

Corona – Was obdachlose Menschen in München fordern: http://inizivi.antira.info/2020/03/18/corona-was-obdachlose-menschen-in-munchen-fordern/

Diskussion zur unterschiedlichen Belastung während der Krise, (mit Villa Braslavsky, LMU): https://lisa.gerda-henkel-stiftung.de/logbuch_corona_9april2020

„Das Virus bringt das Verdrängte zurück“ (Beitrag von Stephan Lessenich, LMU) https://www.sueddeutsche.de/kultur/corona-angst-china-kolonialismus-1.4834324

„Corona stellt auch die soziale Frage“ (Beitrag von Matthias Ebbertz): https://www.neues-deutschland.de/artikel/1134189.coronavirus-corona-stellt-auch-die-soziale-frage.html

Zur aktuellen Situation im Übernachtungsschutz der Bayernkaserne: http://inizivi.antira.info/2020/03/26/zur-aktuellen-situation-im-ubernachtungsschutz-der-bayernkaserne/

Zur deutschen Krankenhausmisere: „Wie die Corona-Krise den Irrsinn von Fallpauschalen und Erlösorientierung offenlegt“: https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/der-kern-der-deutschen-krankenhausmisere

„Die Welt nach Corona wird jetzt ausgehandelt“ (Beitrag von Maximilian Pichl): https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/die-welt-nach-corona-wird-jetzt-ausgehandelt

International

Was Corona für Obdachlose bedeutet (Artikel aus Österreich): https://www.moment.at/story/was-corona-fuer-obdachlose-menschen-bedeutet

Situation in Italien – Abseits der klatschenden Menschen auf den Balkonen (auf englisch): https://www.dinamopress.it/news/to-our-friends-all-over-the-world-from-the-eye-of-covid-19-storm/

Arbeiten in Zeiten des Coronavirus in Italien – „Alle zu Hause, außer die Arbeiter*innen“: https://revoltmag.org/articles/arbeiten-zeiten-des-coronavirus/

Corona könnte eine halbe Milliarde Menschen in die Armut treiben (auf englisch): https://www.theguardian.com/world/2020/apr/09/coronavirus-could-push-half-a-billion-people-into-poverty-oxfam-warns

Bild von PIRO4D auf Pixabay


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