Gegen jeden Antisemitismus!
Statement zu den Demonstrationen der sogenannten „Corona-Rebellen“

Foto: Robert Andreasch

Wir „stören“ erneut mit einem Newsletter, welcher dieses Mal auch nur indirekt einen Bezug zum ÖkoEsel hat. Einige unser Mitarbeiter*innen haben am vergangenen Wochenende die Proteste der sogenannten „Corona-Rebellen“ beobachtet und wir betrachten es als notwendig, zu dem dort Erlebten Stellung zu beziehen. Insbesondere, da wir die Gefahr einer Vereinnahmung von Personen aus einem nachhaltig-ökologischen Umfeld sehen.

So konnte am letzten Wochenende in München, wie auch in vielen anderen Städten, ein scheinbar freiheitsliebender „alternativer“ Protest beobachtet werden, der sich äußerlich kritisch mit den Corona-Maßnahmen beschäftigt hat. In der aktuellen Lockerungsdebatte vermengen sich dabei berechtigte Kritik mit extrem rechten und verschwörungsideologischen Märchenerzählungen, welche – wie bereits bei Pegida – auch immer mehr einen bürgerlichen Resonanzraum finden. Dabei waren am Samstag in München nicht nur AfD, sondern auch die Identitäre Bewegung, der III. Weg, Danubia und weitere rechtsextreme und faschistische Gruppierungen zusammen mit Verschwörungsakteuren wie Rubikon und Q-Anon auf der Straße, wobei es von Aluhüten aus diversen anderen Spektren ebenfalls nur so wimmelte. So waren Verschwörungstheorien auf Schildern, Slogans und Flyern allgegenwärtig. Meist ging es um den Glauben an eine durch Bill Gates gesteuerte Impfverschwörung und die narzisstische Fantasie aufgrund der Corona-Maßnahmen so schlimm zu leiden, wie die Opfer des Nationalsozialismus. Dies verband sich stellenweise mit dem Singen der deutschen Nationalhymne und „Wir sind das Volk“- Sprechchören. Diese Darstellung der Corona-Krise als eine Machtübernahme geheimer Eliten bedient dabei die üblichen antisemitischen Feindbilder: Das klassisch antisemitische Bild von Jüdinnen und Juden als angebliche Strippenzieher*innen hinter Politik, Medien und internationalen Organisationen. Auch anderen, vorgeblich am Grundgesetz interessierten Teilnehmer*innen war es offenbar wichtig, wiederholt in Diskussionen die Teilnahme faschistischer Akteur*innen zu bejahen und zu verteidigen. Es ist offensichtlich, dass es sich hierbei um nichts anderes als eine Bewegung handelt, die bei aller Heterogenität eines verbindet: (Struktureller) Antisemitismus und Verschwörungsideologie.

Und auch wenn die Teilnehmenden darauf pochen, dass wir jetzt über alle politischen Lager hinweg zusammenhalten müssten, dann ist diese parteiübergreifende Gemeinschaft dennoch keineswegs friedliebend.  Es ist der Kern von Verschwörungsideologie, Krisen wie die CoVid-19 Pandemie auf einen Feind zu projizieren, der für soziale Verwerfungen verantwortlich gemacht werden kann und im Gegensatz zur angeblich harmonischen Gemeinschaft als radikal böse und allmächtig imaginiert wird. Es ist in diesem Denken angelegt, dass letztendlich nur die Vernichtung dieses Feindes die harmonische Gemeinschaft verwirklichen kann („Gib Gates keine Chance“). Attila Hildmann – einer der prominentesten Köpfe dieser Bewegung – spricht diese Vernichtungsdrohung offen aus: „Vor allem zeigt uns doch diese Krise, dass die Feinde des deutschen Volkes, die Feinde der Demokratie existieren. […] Aber wisst ihr was der Vorteil ist? Endlich sieht man den Feind und denkt nicht mehr, dass das alles nur ein Hirngespinst ist, dann kann man den Feind vernichten.“ (Telegramm Sprachnachricht, 5. Mai 2020)

Um die Brisanz dieser Entwicklung zu begreifen, ist es zentral, sich die Geschichte des Nationalsozialismus zu vergegenwärtigen. Der Nationalsozialismus war im Kern eine antisemitische Verschwörungsbewegung, die Jüdinnen und Juden für alle mit der kapitalistischen Moderne einhergehenden Verwerfungen verantwortlich machte und ihre schiere Existenz als radikale Bedrohung der deutschen Volksgemeinschaft betrachtete. Es war diese Wahnvorstellung, aus der sich das Projekt der industriellen Massenvernichtung des Judentums ergab, welches die deutsche Volksgemeinschaft in den Ghettos von Warschau und Krakau, den Massakern von Babi Jar und Simferopol und den Gaskammern von Auschwitz und Treblinka in die Tat umsetzte.

Genau 75 Jahre nach der Niederlage des Nationalsozialismus erleben wir gerade eine dynamische antisemitische Massenbewegung, die strukturell zur Vernichtung hin orientiert ist.

Wenn die Reden und Gedenkfeiern vom 8. Mai keine leeren Phrasen bleiben sollen, müssen wir uns dieser Bewegung mit allen gebotenen Mitteln entgegenstellen! Nicht zuletzt Hanau hat gezeigt: Diese Mischung von verschwörungstheoretischem Wahn und extrem rechter Mobilisierung ist hochgefährlich!

Leider wurden auch Mitglieder vom ÖkoEsel auf diesen Veranstaltungen gesehen. Wir empfinden es daher als notwendig, uns ganz deutlich von dieser Bewegung zu distanzieren und auf die völkische Vereinnahmung von ökologisch-nachhaltiger Lebensweise hinzuweisen. Auch deshalb ist es notwendig, sich damit auseinanderzusetzen, in welche Konstellationen und Kooperationen man sich mit dem Besuch einer solchen Veranstaltung und durch das Teilen dieser Vorstellungen begibt.

Wir stehen konsequent gegen jede Art von Antisemitismus, Faschismus und Verschwörungsschwurbelei! Die sozial-ökologische Wende ist und bleibt dringend notwendig, der Protest vom vergangenen Samstag hat damit jedoch nichts zu tun.

Zum Schluss möchten wir auch persönlich festhalten, dass wir es als unsolidarisch empfinden, wenn wir uns im Laden bemühen die Hygiene- und Sicherheitsvorschriften einzuhalten und dann Mitglieder eng an eng und OHNE Masken an einer solchen Veranstaltung teilnehmen.



Kommentare

  1. Liebes Öko Esel Team,

    vielen lieben Dank für euren tollen Artikel.
    Ich kann mich nur anschließen und hoffe, dass die Menschen zur Vernunft kommen.
    Bleibt gesund!

    Lg

  2. Danke! Dieses Statement spricht mir aus der Seele.
    Debatte ist wichtig, keine Frage. Aber das, was da seit geraumer Zeit wieder hochkocht, ist eben nicht auf faktenbasierte Diskussion aus. Es ist brandgefährliche Ideologie.

  3. Liebes Team,

    lieben Dank für Euren Beitrag. Ich finde Ihr macht einen Superjob für uns, seid aufmerksam und solidarisch…
    Lasst uns alle ein Beispiel daran nehmen.
    LG Andreas

  4. Ich sehe das komplett anders.
    Es geht hier um unsere Grundrechte und Freiheit, die uns binnen weniger Wochen genommen wurden.
    Und ein Impfzwang ist keine Verschwörungstheorie sondern wird tatsächlich überlegt.
    Ich gehe für unsere hat erkämpften Rechte auf die Straße.
    Dass das wieder in irgendwelche Ecken gedrängt wird und wieder die Antisemitismuskeule ausgepackt wird ist echt schade.

    1. @ Doured: Dass ein Impfzwang diskutiert (und kritisiert) wurde ist noch nicht wirklich die Verschwörungstheorie.
      Die Verschwörungstheorie beginnt dort, wo behauptet wird (und ja das wird es), dass z.B. Bill Gates Corona erfunden hätte um entweder die Weltbevölkerung zu dezimieren und/oder sich an Impfstoffen zu bereichern etc. Dabei wird z.B. von rechten Verschwörungstheoretikern behauptet, das Ehepaar Gates sei jüdisch bzw. Teil einer zionistischen Weltverschwörung für eine „Neue Weltordnung“. Und noch weit absurderes.
      Und das hat mir einer “Antisemitismuskeule ” nichts zu tun. Den Antisemitismus und die Verschwörungstheorien bringen die Rechten in die Diskussion, wie übrigens auch in diesem Blog-Beitrag klar gemacht wird.
      Ein Beispiel eines Faktencheck zum angeblich angestrebten “Impfzwang”: https://www.zdf.de/nachrichten/politik/coronavirus-kein-impfzwang-spahn-faktencheck-100.html

    1. Ich bin beeindruckt, dass Ihr Euch weiterhin die Zeit nehmt, politisch und kritisch zu sein & zu bleiben. Man/Frau könnte ja auch meinen: wir haben den Ökoesel initiiert und damit unseren gesellschaftlichen Beitrag geleistet. Euer Artikel ist wichtig, weil er zu einer beängstigenden Entwicklung eine klare Stellung bezieht! Auf dem Hintergrund unserer deutschen Geschichte setzt ihr Euch konstruktiv, kritisch & und auf demokratische Werte achtend mit den aktuell hochploppenden antidemokratischen Strömungen Rund um Corona auseinander. Ich stimme Eurer Analyse zu. Bleiben wir achtsam, kritisch und im Gespräch miteinander!

  5. Liebes Öko-Esel Team,
    sehr gut beschrieben. Man kann wirklich Angst bekommen, wenn man so manche Verschwörungstheorie hört. Ich finde es gut, dass ihr darauf aufmerksam macht!
    Liebe Grüße

  6. Liebes Öko-Esel Team,
    vielen Dank für die klaren Worte! Natürlich werde auch ich für meine Grundrechte auf die Straße gehen….wenn die Zeit dafür gekommen ist!! Aber im Moment beschränke ich mich darauf, genau hinzuschauen und zuzuhören. Auf die Demo zu gehen und das auch noch ungeschützt halte ich für sehr unsolidarisch!
    Danke …und macht weiter so!

  7. Liebes Öko-Esel Team,

    vielen Dank für Euer Statement, ihr trefft damit den Nagel auf den Kopf!

    In dieser Zeit ist es sehr wichtig, dass jeder wachsam bleibt und zu diesen Verschwörungstheorien klar Stellung bezieht.
    Ich finde es unheimlich, mit welchen Methoden und Professionalität diese Leute normalerweise vernünftig denkende Mitmenschen
    in ihrem Bann (Filterblase) ziehen. Da helfen auch Fakten und Argumente nicht , um sie wieder zur Vernunft bringen.

    Schöne Grüße, Saiyed

  8. Hallo liebes Ökoesel-Team,
    Freunde von mir waren auch bei der Demonstration und ich kann beide Hände dafür ins Feuer legen, dass es sich nicht um Antisemiten und Verschwörungstheoretiker handelt. Sie stellen die Verhältnismäßigkeit der Corona-Maßnahmen in Frage und stehen für unsere Grundrechte ein. Es wäre aus meiner Sicht richtig und wichtig zu differenzieren und sie nicht – mit zugegebenermaßen auch anwesenden rechtsradikalen Personen – in die Schmuddelecke zu stellen. Vielen Dank!
    Viele Grüße
    Christine
    PS zum Thema Verhältnismäßigkeit: pro Jahr sterben lt. Max-Planck Institut 120.000 Menschen durch Feinstaub. Ein Verbot von innerstädtischem PKW-Verkehr und (Massen-)Tierhaltung wären wirksame Maßnahmen, wenn Schlüssigkeit staatlichen Handelns das Ziel wäre…

    1. Hallo Christine, der Staat bemueht sich zur Zeit um die Eindaemmung von COVID-19, weil dieser Virus sich so schnell verbreiten kann und damit unser Gesundheitssystem zusammenbrechen koennte. Das schaffen alle anderen Erkrankungen, die nicht ansteckend sind, nicht. 2017/18 war bei der schlimmen Influenza auch so manches Krankenhaus ueberlastet, aber man konnte zumindest auch davon ausgehen, dass es sich ab spaetestens Mai erledigen wuerde. COVID-19 war von Anfang an auch in den Tropen aktiv und ist daher kein Virus, der von selbst wieder weg geht.
      Viele Gruesse – Andrea

Schreibe einen Kommentar zu Guido Kugelmann Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert